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Du schuldest mir nichts.

  • Autorenbild: Alexander Lanz
    Alexander Lanz
  • 15. Okt.
  • 2 Min. Lesezeit
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Wenn ich dich frage, ob dein Partner oder deine Partnerin, falls du in einer Beziehung lebst, dir etwas schuldet (gemeint sind hier nicht Finanzen oder Materielles), was würdest du antworten?


Ich nehme mal an, du würdest spontan und unbedarft ehrlich «Nein» sagen.


Was aber, wenn du heute merkst, dass sie gar nicht richtig zugehört hat, als du ihr gestern etwas Wichtiges und Persönliches erzählt hast?


Oder was, wenn du gerade liebevolle Zuwendung bräuchtest, er aber gar nicht richtig präsent ist, weil er so absorbiert ist von Problemen im Job?


Oder was, wenn sie eine emotionale Eifersuchtsattacke hat, dabei hast du doch nur harmlos geflirtet?


Oder wenn er schon seit Wochen weder Lust auf Sex noch auf Zärtlichkeit hat, du aber schon?


Oder, oder…


Was passiert dann in dir, was löst das aus? Ruhst du zentriert in einer grosszügigen, verständnisvollen Haltung und kümmerst dich selbstverständlich um deine (eventuell emotionale) Reaktion und dein (unerfülltes) Bedürfnis?


Machen wir uns nichts vor: Wir bringen eine Menge Erwartungen mit in eine Beziehung. Wenn sie uns nicht bewusst sind, werden wir den Frust darüber, dass sie nicht erfüllt werden, in Form von Vorwurf, Kritik, Rechtfertigung, Groll oder Rückzug am andern ausagieren. Die Du-bist-schuld-Botschaft hängt dann wie ein zäher Nebel im Raum und führt zu emotionaler Spannung, Konflikten und Distanz.


Kein Grund, uns dafür zu verurteilen. Wir sind Menschen, wir tun das alle. Gratuliere dir vielmehr, wenn du erkennst, dass es deine eigenen Erwartungen sind, die zum Frust und zum Konflikt beigetragen haben, und dein Gegenüber nicht dafür zuständig ist, sie zu erfüllen. Diese Erkenntnis ist Gold wert, denn sie kann dich dazu führen, die Schuldzuweisung und somit den Druck und die Bewertung zurückzunehmen.


Hier ein Vorschlag, wie du diese Haltung als Commitment mit dir selbst bekräftigen kannst.


*

Persönliche Verzichtserklärung


Du schuldest mir nichts.


Ich sage ja zu dir als die oder der du bist mit all deinen Qualitäten und Fähigkeiten und all deinen Macken und Eigenheiten. Und ich sage ja zu meiner Bereitschaft, mit dem umzugehen, was deine Eigenheiten, dein So-Sein-wie-du-Bist in mir auslösen.


Du bist nicht dazu da, meinen Vorstellungen und Bewertungen zu entsprechen, meine innere Leere zu füllen, meinen Hunger nach Nähe, Fürsorge, Sicherheit und Liebe zu stillen. Dafür sorge ich selbst, so gut ich kann.


Ich entlasse dich aus meinen Erwartungen, meinen verkappten Forderungen, die den Anspruch beinhalten, dass du mir etwas schuldest und ich das Recht darauf habe. Es ist meine Wahl, mit dir zu sein. Du musst dich nicht verändern für mich.


Und du hast gewählt, mit mir zusammenzusein, das ist alles andere als selbstverständlich. Ich danke dir dafür.


Du schuldest mir nichts.


*


Mit dieser Verzichtserklärung ist es natürlich nicht ein für allemal getan. Sie braucht bekräftigende Wiederholung und Erinnerung, denn ein Teil in uns wird weiterhin Erwartungen haben. Deren Bewusstwerdung ist ein anspruchsvoller Prozess, da die Erwartungen oft mit vergangenen Verletzungen verknüpft sind.


Die entscheidende Medizin ist liebevolle Zuwendung zu sich selbst, ist Öffnung für den Quell der Liebe im eigenen Herzen. Dann löst sich die Schuldwolke auf. Dann kann Geben und Empfangen aus Freiheit und Fülle heraus geschehen und genossen werden.

 
 
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